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Der Jasager und der Neinsager, Brecht

Сцена Молот, Пермский академический Театр-Театр, Perm, Russland

"Wichtig zu lernen vor allem ist Einverständnis
Viele sagen ja, und doch ist da kein Einverständnis
Viele werden nicht gefragt, und viele
Sind einverstanden mit Falschem. Darum:
Wichtig zu lernen ist Einverständnis."

In seiner 1930 entstandenen Schuloper Der Jasager (mit Musik von Kurt Weill) beschäftigt sich Bertolt Brecht mit der wechselseitigen Verantwortung zwischen einer Gesellschaft und ihren Mitgliedern. In einem abgelegenen Dorf ist eine Krankheit ausgebrochen. Der Lehrer des Ortes begibt sich mit seinen Studenten auf eine gefährliche Reise über die Berge zu den „großen Ärzten“, um dort Medizin zu holen und Unterweisung. Entgegen der Warnungen des Lehrers beteiligt sich auch ein Knabe, dessen Mutter ebenfalls erkrankt ist, an der Expedition. Auf der anstrengenden Reise wird der Junge selbst krank und kann weder weitergehen noch von seinen Kameraden getragen werden. Die Teilnehmer der Expedition sehen sich mit der Frage konfrontiert entweder umzukehren, um das Leben des Knaben zu retten, oder aber ihn im Interesse des Gemeinwohls zu opfern. Schließlich werfen die Studenten den Knaben mit dessen eigenen Einverständnis ins Tal.

In einer späteren Fassung ergänzt Brecht den Jasager durch ein zweites Lehrstück. Mit einigen wenigen Änderungen in der Ausgangssituation wiederholt sich die Handlung im Neinsager identisch wie in seinem Vorläufer. Einem „großen Brauch” folgend soll der erkrankte Knabe in den Tod gestürzt werden. Diesmal aber verweigert der Junge sein Einverständnis in das eigene Opfer und zwingt die Expedition zum Umkehren: „Wer a sagt, der muss nicht b sagen. Er kann auch erkennen, dass a falsch war. [...] Ich brauche vielmehr einen neuen Brauch, den wir sofort einführen müssen, nämlich den Brauch, in jeder neuen Lage neu nachzudenken.“

Das „Nein!“ des Knaben stellt das Verhältnis zwischen Einzelnem und Gesellschaft auf den Kopf. Das Individuum konstituiert sich mit seinen eigenen Bedürfnissen gegen das Kollektiv und wirft damit den alten Gesellschaftsvertrag des stillen Konsens über den Haufen. Der Neinsager beschreibt einen Akt der Emanzipation als auch ein revolutionäres Moment der Zerstörung. Nach diesem Knall muss das Kollektiv neu zusammen finden - die Harmonie ist dahin: „Was sollen wir tun? Was der Knabe sagt, ist vernünftig, wenn es auch nicht heldenhaft ist.“ Die Expedition kehrt an den Ausgangspunkt ihrer Reise zurück, einer ungewissen Zukunft entgegen: „Seit an Seit gingen sie zusammengedrängt / Entgegen der Schmähung / Entgegen dem Gelächter, mit geschlossenen Augen / Keiner feiger als sein Nachbar.“

 

Mit: Michael Chudnov, Lydia Anikeeva, Evgeny Volkov, Olga Pechenkina, Julia Zacharkina, Ekaterina Vaseva, Irina Loukashova

Regie: Andreas Merz Raykov

Bühne und Kostüme: Irina Romashko
Übersetzung: Ekaterina Raykova-Merz

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