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Drei Schwestern in Moskau

nach Tschechow und einem realen Verbrechen aus dem heutigen Russland

Staatstheater Augsburg, Augsburg, Deutschland

"Wir sind nur darum so missvergnügt, weil wir die Freiheit nicht kennen. Wir stammen von Leuten ab, die Freiheit verachtet haben…"

2021 erschien der »Zeit«-Artikel von Alice Bota über die Schwestern Chatschaturjan, und es entstand die Idee, diese Geschehnisse in einem Theaterabend zu thematisieren. Die Prozesse gegen den Vater und die Töchter sollten ursprünglich im darauffolgenden Herbst beginnen. In Gesprächen mit dem Regisseur entstand der Gedanke, diesen realen Fall mit Anton Tschechows »Drei Schwestern« zu kombinieren. Nicht nur wegen der gleichen Hauptakteurinnen, sondern weil sich thematische Linien in beiden Geschichten wiederfinden: die Auswirkungen einer patriarchalen militaristischen Gesellschaft, die Mechanismen von Unterdrückung und die Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben, nicht zuletzt auch der tote Vater, der beiden Geschichten gemein ist.

In der konkreten Vorbereitung und Recherche wurde dann immer deutlicher, dass sich beide Stoffe nicht zu einer Erzählung verschmelzen lassen, sondern miteinander verwoben werden sollten. Die Chatschaturjan-Geschichte sollte die »Drei Schwestern« im Verlauf
der Inszenierung immer weiter infiltrieren, indem sie in die Tschechow-Akte eingefügt wird. Durch die formale Trennung (jeder Akt von Tschechow wird durch einen Chatschaturjan-Block unterbrochen) können beide Geschichten nebeneinander bestehen. Dies ist wichtig, um die Rolle der russischen Medien im Chatschaturjan-Fall nicht zu wiederholen: eine populistische Zurschaustellung der drei jungen Frauen. Dennoch durchdringt die reale Geschichte im Verlauf der Inszenierung das Tschechow-Stück. Symbolisch dafür steht auch der schwarze Würfel inmitten des hellen Bühnenbildes, der wie ein Stachel in der vermeintlich schönen und heilen Welt steckt. Mit Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine kam eine weitere Ebene der Erzählung hinzu. Der Krieg als letzte und schlimmste Ausformulierung patriarchaler Struktur zieht die Linien der Inszenierung weiter bis in das Jahr 2023, in dem nach wie vor kein Ende der Verbrechen in der Ukraine in Sicht ist.

Sabeth Braun

Mit: Natalie Hünig, Katja Sieder, Christina Jung, Julius Kuhn, Sarah Maria Grünig, Thomas Prazak, Klaus Müller, Sebastian Müller-Stahl, Kai Windhövel, Stefanie von Mende

Text und Regie: Andreas Merz Raykov

Ausstattung: Galya Solodovnikova

Co-Regie: Ekaterina Raykova-Merz

Musik: Stefan Leibold

Dramaturgie: Sabeth Braun​

Fotos: Jan-Pieter Fuhr

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